Pflanzenskulpturen: Die unerschöpfliche Lust an der Form
Ob als Beeteinfassung, zu Kugeln geschnitten am Wegesrand oder als Tiere oder Fabelwesen, in Form geschnittene Gehölze schmücken den Garten zu jeder Jahreszeit. Foto: CMA
Wenn der Garten im Herbst zunehmend kahler wird, treten Pflanzenskulpturen besonders eindrucksvoll hervor: Hecken, Bögen, Säulen und Pyramiden, Kugeln, Kegel und Figuren aller Art. Am stärksten wirken die streng geschnittenen Immergrünen wie Buchsbaum oder Eibe. Aber auch die Sommergrünen wie Hainbuche und Rotbuche fallen mit ihrem sehr dichten Zweigwerk, das die strenge Form ausfüllt, auf.
Grünes Format
Bereits seit etlichen Jahren sind geschnittene Gehölze wieder in Mode. In jeder Gärtnerei, in jedem Garten-Center sind sie im Angebot, kaum ein Garten kommt ohne sie aus. Dabei war das viele Jahre völlig anders: Gehölze zu formen galt als überholt und wurde als altmodisch angesehen. Nur in historischen Gärten stieß man noch auf strenge Beeteinfassungen, grüne Mauern und Kegel als markante Eckpunkte der Parterres. Dort harrten sie ihrer Wiederentdeckung, wie sie es im Laufe der Jahrhunderte bereits mehrmals getan hatten.
#B{Römische Tiere
Das älteste Dokument über geschnittene und geformte Gehölze stammt aus der Zeit der alten Römer, genauer gesagt von Plinius dem Jüngeren. Der schwärmte über den Buchsbaum in seinem in Terrassen angelegten Garten. Auf der obersten Ebene fasste Buchs runde, viereckige und geschweifte Beete ein. Auf der mittleren Ebene belebten aus Buchsbaum geschnittene Tierfiguren den Garten. Ganz unten schließlich verdeckte in Stufen geschnittener Buchsbaum die Mauer, die den Garten nach außen hin begrenzte. "Topiarius" nannten Plinius und seine Zeitgenossen den Fachmann, der so meisterhaft die Schere zu führen verstand. Noch heute heißen geschnittene Figuren bei den Fachleuten Topiary.
Die Wiedergeburt der Formgehölze
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches nahm die Begeisterung für das Spiel mit der Gartenschere in Europa ab. Im Mittelalter fanden geformte Gehölze keine Erwähnung mehr. Erst in den Renaissance-Gärten tauchten sie wieder auf. Der Besitzer der Villa Quaracchi bei Florenz, Giovanni Rucellais, notierte in seinem Tagebuch im Jahr 1459: In dem Blumengarten bildet ein runder, in fünf Stufen geschnittener Buchs den Mittelpunkt.
Außerdem erwähnte er Riesen und Zentauren, Schiffe, Tempel, Pfeiler, Menschenfiguren, Drachen und Tiere aller Art aus Formgehölzen. Teils schnitt man sie aus den Hecken heraus, teils wurden sie als Einzelgestalten gezogen. In Deutschland feierten Formgehölze in der Zeit des Barock wahre Triumphe, wie eine Abbildung des Fürstlichen Lustgartens zu Hessen aus dem Jahr 1648 zeigt. Auf ihr lassen sich Hecken entdecken, deren Kronen zu Löwenfiguren, Bögen, Sternen, Buchstaben und anderem mehr geformt waren. Wer heutzutage einen Eindruck davon bekommen möchte, wie sehr geschnittene Gehölze die Gärten jener Zeit bestimmten, der sollte die Schlossgärten von Herrenhausen oder Schwetzingen auf sich wirken lassen.
Auf und ab
Doch dann kam die Zeit des Englischen Landschaftsgartens, in dem die Schönheit der Natur zum Thema wurde nicht die unbeeinflusste, wilde Natur, sondern die idealisierte, von Menschenhand gestaltete. Geschnittene Gehölze hatten darin keinen Platz. Die Begeisterung über die neu entdeckten natürlichen Formen schlug schließlich so hohe Wellen, dass sie auch vor kleinen Hausgärten nicht Halt machten. Skurrile Miniaturlandschaften mit Grotten und Schnörkelwegen breiteten sich selbst in Vorgärten aus.
Kein Wunder, dass die Reformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts auf ein Umdenken drängte. Die Avantgarde der Gartenarchitekten baute formale Gärten und da waren sie wieder, die strengen Hecken, Kugeln und Pyramiden! Die Naturgartenbewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte wieder auf ungeschnittene Natürlichkeit, die wenig später erneut von der Freude am Formen abgelöst wurde. Jetzt bevölkern wieder Kutschen, Tennis- und Golfspieler, Pferde, Hunde und viele andere aus Buchsbaum, Liguster und Eiben geschnittene Gestalten die Gärten. Die unerschöpfliche Lust am Schneiden und Formen triumphiert erneut! (Quelle: CMA)
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